Dr. Susanne Löffner von Coaching Your Dream beschäftigt sich mit mentaler Gesundheit von Ärzten und Führungskräften. Sie bietet aber auch Stress- und Emotionscoaching außerhalb dieses Berufsgruppen an und unterstützt bei unerfülltem Kinderwunsch. Sie ist selbst Ärztin, Coach und Mama. Wie sie diesen Spagat meistert, mit aufkeimenden Schuldgefühlen umgeht und wie sie es schafft, gelassen perfekt unperfekt als Working Mom zu sein, berichtet sie mir im folgenden Textinterview.
1. Du bist Ärztin, Coach und Mama von zwei Kindern – wie schaffst Du es, diese Rollen zu vereinbaren?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war tatsächlich nach der Geburt meines ersten Kindes eine große Herausforderung. Ich bin, als mein Sohn ein Jahr alt war, beruflich mit einer 50%-Stelle wieder eingestiegen. Ich habe mich anfangs einerseits als Rabenmutter gefühlt, andererseits bei der Arbeit als die, die nie da ist. Doch irgendwann habe ich festgestellt, dass es gar nicht meine eigene Bewertung war, sondern die von außen.
An der Stelle habe ich mich zum ersten Mal gefragt, was ICH möchte und wie sich das am besten mit meinem Mann und einem oder mehreren Kindern vereinbaren lässt. Ab da habe ich immer flexibel auf die Umstände reagiert und angepasst. Insgesamt hatte ich 8 verschiedene Teilzeitmodelle, meine Kinder waren bei Tagesmüttern, in der KiTa, Kindergarten, Schule und Hausaufgabenbetreuung. Es war nicht immer einfach zu organisieren, letztlich gab es jedoch immer eine Lösung.
Jetzt bin ich selbstständig als Coach und ab und zu Notärztin. Da bleibt Spielraum für die Familie und mich selbst.
2. Viele meiner Kundinnen erleben Folgendes: sie werden Mama, kehren dem alten Job den Rücken und machen sich in eigener Praxis selbstständig – und sind dann unzufrieden, gestresst, unglücklich. Was wäre Dein Tipp dazu?
Ich finde eine ganz ehrliche Analyse wichtig. Was möchte ich selbst und was tue ich nur, um äußere Erwartungen zu erfüllen? Und manchmal ist es wichtig, zu akzeptieren, dass manches so ist wie es ist. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Ich wäre unglaublich gerne Oberärztin einer Akut-Intensivstation geworden, wollte aber auch Zeit mit meinen Kindern, meinem Partner, meinen zwei Hunde und natürlich noch Zeit für mich haben. Das funktioniert nicht. Als ich das für mich akzeptiert habe, haben sich neue Möglichkeiten eröffnet, die mich jetzt sehr zufrieden und glücklich machen.
3. So viele Working Moms leiden unter permanenten Schuldgefühlen – schlechte Mama sein, zu wenig Zeit für die Arbeit: Was ist Deine Strategie raus aus der Schuldgefühls-Falle?
Ich persönlich halte die Schuld für die unsinnigste Erfindung, die es gibt. 😁 (Ich rede hier nicht von der juristischen Schuld, die erkenne ich natürlich an.) Ich kann keinen positiven Effekt für irgendjemanden erkennen, wenn man Schuld vergibt oder annimmt, schon gar nicht, wenn man sich selbst Schuld gibt. Also am besten damit sofort aufhören.
Schuld ist ein Gedanke, der dann aufhört, wenn man ihn anerkennt. Also konkret: Ja, ich verbringe weniger Zeit mit meinen Kindern als eine Vollzeitmama. Wer definiert, was von beiden letztlich für das Kind am besten ist? Ich glaube, dass es viel weniger um die Quantität als die Qualität geht. Ein Kind braucht Liebe, es braucht Vertrauen, es möchte gesehen werden und so sein dürfen, wie es ist. Das kann ich am besten bieten, wenn ich mich selbst gut und innerlich stabil fühle. Also geht es doch darum, genau den Weg zu gehen, der für mich ganz persönlich der Richtige ist.
Und bei der Arbeit ist es genauso. Wenn ich da bin, bin ich mit meiner vollen Aufmerksamkeit und Energie da, weil das Drumrum für mich stimmig ist.
Ich habe 10 Jahre gebraucht, bis ich die Weiterbildung zur Fachärztin abgeschlossen hatte. In Vollzeit lässt sich das in 5 Jahren schaffen. War oder bin ich deshalb eine schlechtere Ärztin? Ganz sicher nicht.
4. Verrate uns doch Deinen besten Selbstfürsorge-Tipp für arbeitende Power-Mamas
Oh ja, sehr gerne. Ich fange tatsächlich meinen Tag mit einer kalten Dusche an, beziehungswiese ich dusche erst ganz normal warm und am Schluss bleibe ich ungefähr 2 min. unter kaltem Wasser. Das kostet anfangs Überwindung und ich habe auch nicht gleich 2 min. durchgehalten. Die kalte Dusche hat sehr viele positive Effekte auf das Immunsystem, den Kreislauf und auf die Stimmung. Zudem bremst es den Hunger auf Süßes.
Ansonsten meditiere ich regelmäßig, entweder angeleitet oder ich spüre einfach ein paar Minuten in mich hinein, ohne in meine Gedanken einzusteigen.
Für Stresssituationen liebe ich Atemtechniken, z.B. Seven-Eleven: auf 7 zählen beim Einatmen, auf 11 beim Ausatmen. Alternativ ist 5-4-3-2-1 eine wunderbare Achtsamkeitsübung, um aus Gedankenstrudeln herauszukommen: Kurz innehalten: welche 5 Dinge sehe ich, welche 4 Geräusche höre ich, welche 3 Sachen fühle ich, welche 2 rieche und welche eine schmecke ich.
Meine intensivste Selbstfürsorgemaßnahme sind meine zwei Hunde, die mich zu täglichen Spaziergängen zwingen.
5. Auf deiner „Über mich“-Seite schreibst Du, dass Ehrgeiz für Dich früher eine große Rolle gespielt hat. Wie hast Du es geschafft von „höher, schneller, weiter“ zu „perfekt unperfekt“ zu kommen?
Das war ein Prozess, den ich nicht ohne Hilfe gegangen bin und der auch nicht beendet ist. Ich habe mich viel mit mir selbst, meinen Prägungen und meinen Überzeugungen auseinandergesetzt. Einerseits habe ich in meinen ganzen Coachingausbildungen viele Techniken gelernt, um selbst zu reflektieren und zu verändern, aber ich lasse mich auch regelmäßig coachen. Wir alle haben unsere blinden Flecken, an die wir alleine nicht herankommen und wir sind Meister darin, uns Stories zu erzählen, anstatt wirklich hinzuschauen.
6. Dein Blog steht unter dem Motto „Happify your life“. Was bedeutet das für Dich?
Ich habe den Eindruck, dass die meisten Menschen glauben, dass dies und das passieren muss, dass sie dies oder das erreichen, sich leisten oder
bekommen müssen, damit sie glücklich sein können.
Das ist in meinen Augen falsch. Ich bin überzeugt, dass wir erst zufrieden sind, wenn wir eine innere Zufriedenheit erlangt haben. Also WIR selbst sind verantwortlich für unser Glück,
nicht das Außen. Deshalb mein Aufruf Happify Your Life: Mach DU selbst dein Leben glücklich.
7. In Deiner Vision schreibst Du, dass Du Dir ein Gesundheitssystem wünschst, bei dem der Mensch im Vordergrund steht. Eine Haltung, die ich uneingeschränkt teile. Was denkst Du, müsste sich als Erstes ändern?
Das ist eine schwierige Frage. Die Haltung jedes Einzelnen. Jeder Mensch sollte anfangen, Verantwortung für sich und seine Gesundheit zu übernehmen und aufhören zu glauben, dass irgendjemand einen anderen gesund „machen“ könnte. Damit spreche ich tatsächlich unsere gesamte Gesellschaft an, die einen unglaublich hohen – nicht lieferbaren Anspruch an das Gesundheitssystem erhebt.
Aber auch im System sind so viele Änderungen notwendig. Den Mensch in den Vordergrund zu stellen, fängt beim Personal an. Es braucht den Rahmen und die Wertschätzung, damit die Mitarbeiter mit Freude zur Arbeit gehen, um dann menschlich empathisch, Patienten versorgen zu können. Da gibt es aber nicht den Einen, der die Voraussetzungen schaffen muss, sondern das ist die Aufgabe jedes Einzelnen: damit aufzuhören, nicht erfüllbare Erwartungen an sich und Andere zu stellen, das Gegenüber zu respektieren und wertzuschätzen, zu geben und anzunehmen, die eigenen Grenzen aufzuzeigen und die von Anderen zu respektieren. Auf sich selbst zu achten, um gesund auf Andere achten zu können.
Kurz gesagt, ich glaube, dass jeder anfangen darf, er/sie selbst zu sein, sich verletztlich zu zeigen, die eigenen Hürden abzubauen, um dann daran mitzuwirken, kreativ neue Lösungen zu finden.
Vielen herzlichen Dank für das Interview, Deine Zeit und Deine tollen Antworten, liebe Susanne. Weiterhin viel Erfolg auf Deinem beruflichen Weg als Ärztin und vor allem als Coach.
Julia Georgi
Dipl.-Psych., Hypnotherapeutin,
Mentorin für Hypnotherapeuten
und -coaches
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