„Ich bin aber kein kreativer Mensch“, schleuderte mir eine Therapeutenkollegin während eines Seminars mit verzweifeltem Blick entgegen. In der Weiterbildung betonte ich die Wichtigkeit, Abstand zu nehmen von vorgefertigten Suggestionstexten und Skripten. Und stattdessen selbst kreativ zu werden. Kreativ sein zu können - oder eben nicht - halte ich nicht für Schicksal oder Glück. Keine Eigenschaft, mit der man geboren ist. Nichts, wo man sagen müsste: „Mist, bei der Verteilung dieser Eigenschaft habe ich wohl geschlafen. Jetzt ist es zu spät.“ Kreativität ist erlernbar und trainierbar.
Sie ist eine Spielwiese, unendlich groß. Knüpft an Ressourcen an. Sie kann sehr viel Freude machen. Sie bedeutet Freiheit. Bei aller Leichtigkeit dieser Worte halte ich sie aber gerade bei Fachleuten nicht für eine Kann-Eigenschaft. Die eigene Kreativität fördern als Hypnotherapeut halte ich für essenziell.
Die Inhalte dieses Blogartikels:
Was ist Kreativität?
Kreativsein hat etwas zu tun mit kreieren, also erschaffen, gestalten. Ich kann mit Worten gestalten, aber auch mit Bildern. Mit Farben ebenso wie mit Klängen. Mit Fragen aber auch mit Gesten oder einer Körperhaltung.
Kreativität als Hypnotherapeut heißt:
- anders zu denken
- die Perspektive wechseln zu können
- fantasievoll zu sein
- spontan zu reagieren
- Türöffner zu sein für originelle, für andere - vielleicht ungewöhnliche - Lösungsansätze
- intuitiv zu handeln
- Bilder beim Klienten hervorrufen zu können
- ein sinnliches Erlebnis anstoßen zu können (zum Beispiel wenn sich der Klient sein Ziel mit allen fünf Sinnen vorstellt)
Wofür braucht man als Hypnotherapeut Kreativität?
Zuallererst heißt es für jeden Hypnotherapeuten Beziehung herzustellen. Das geht manchmal mit traumwandlerischer Sicherheit, ganz leicht und selbstverständlich. Aber es gibt auch skeptische Klienten. Bindungstraumatisierte, vom Leben und von Menschen enttäuschte Klienten. Da ist mit Standard-Procedere kein Pokal zu gewinnen. Da braucht es kreative Methoden, in Kontakt zu kommen und sich das Vertrauen des Klienten zu erarbeiten.
Kreativität ist zudem ein wichtiges Kommunikationselement. Stell doch mal eine unerwartete Frage wie etwa „Wenn Sie ein Brot in der Bäckerei wären, welches wären Sie?“ Sowohl mit der Antwort „ein übrig gebliebenes, schon hartes Toastbrot, das niemand am Samstag Mittag mehr wollte“ als auch mit der Antwort „ein veganes Biobrot mit extra fester Kruste“ kannst Du wunderbar arbeiten. Erstaunlich, oder?
Hilfreich sind kreative Techniken auch dabei, schwierige Sachverhalte einfach und anschaulich zu erklären. Meine Mathematik-Erfahrungen als Schülerin sind da wohl ein guter Vergleich: Bruchrechnung wurde mir mit Tortenstückchen verdeutlicht, Stochastik mit einer großen Menge verschiedenfarbiger Würfel.
Besonders ist Deine Kreativität gefragt, wenn es ums Erzählen von Geschichten und Ausgestalten von Suggestionstexten geht. Spontan, frei, ohne Vorlage. Nur auf Grund eines Stichwortes des Klienten. Wie befreiend, nicht erst im Ausbildungsordner oder den Fachbüchern blättern zu müssen, um einen passenden Text zu finden. Wie wunderbar, eigene Worte zu finden. Eigene Erzählfäden zu spinnen. Ganz individuell auf das reagieren zu können, was der Klient mitbringt.
Immer dann, wenn es um Symbole, Metaphern, Märchen, Geschichten oder auch das Nutzen der unbewussten Sprache unserer Träume für die Therapie geht, ist Kreativität Trumpf. Was benutze ich für wen? Was kann ich aus meinem Erfahrungsschatz verwerten um den Klienten weiterzubringen? Es geht darum, mit Deiner Sprache innere Bilder evozieren zu können um dann damit zu arbeiten. Auf diese Art und Weise finden sich Lösungen, die alleine mit rationalem Denken nicht zugänglich gewesen wären. Es eröffnen sich Möglichkeiten. Kreativ lässt es sich wunderbar experimentieren. Lassen sich Optionen gefahrlos ausprobieren.
Kreative Methoden bieten oft auch die Möglichkeit einer Dissoziierung zum Schutz des Klienten. Ich rede zuerst vielleicht nur über Aschenputtel und ihre böse Stiefmutter. Es muss nicht immer (sofort) ein Bezug zum Ich hergestellt werden. Vieles Kreative ist unbewusst wirksam.
Wie bekomme ich Zugang zur eigenen Kreativität?
- Kreativ-Tipp Nummer 1: Umgib Dich mit kleinen Kindern
Wenn Du mit Kindern zusammen bist, erfährst Du, was es heißt, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Achtsam auf das zu reagieren, was gerade ist. Du lernst spontan auf Spielangebote einzusteigen. Du erfindest vielleicht ganz automatisch kleine Geschichten. Das ist ein guter Start um Deine Kreativität hervorzulocken.
- Kreativ-Tipp Nummer 2: Hole Dein inneres Kind mit an Bord
Kinder sind Meister darin, spielerisch und voller Magie ganz neue Welten zu erfinden. Ohne Begrenzungen. Ohne Verstandes- oder Realitäts-Limits. Wenn Du also tust, was Du als Kind getan hast, kannst Du wieder Zugang bekommen zu Deiner ganz natürlichen, kindlichen Kreativität. Über Dein inneres Kind. Erlaube Dir also, auf dem Spielplatz zu schaukeln. Im Sandkasten zu matschen. Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen zu hören. Und all die Dinge, die man als Erwachsener "eigentlich nicht tut".
- Kreativ-Tipp Nummer 3: Lies viel und sammle Infos
Was mir anfangs geholfen hat, war, aus allen möglichen Quellen Infos zu sammeln. Kleine Geschichten. Anekdoten. Hypnose-Texte von Kollegen. Studien. Dazu habe ich natürlich das Internet genutzt, aber auch vor allem Bücher gelesen. Egal ob Märchen aus aller Welt oder Hypnose-Fachbücher. Alles, was mir brauchbar erschien, habe ich mir (mit Quellenangabe) in eine schöne Kladde geschrieben. Auf neudeutsch würde man sagen, ich habe mir ein "Cheat-Sheet" erstellt, das ich immer wieder als Ausgangspunkt für kreative Texte, Gespräche und Hypnose-Sitzungen benutzen kann.
- Kreativ-Tipp Nummer 4: Übe Geschichten erzählen
Gute Geschichten zu erzählen kann man üben. Nutze jede Möglichkeit dazu. Die Gute-Nacht-Geschichte für ein Kind. Eine Freundin, die gerne eine Fantasiereise mit Dir zusammen ausprobieren möchte. Deine Hypnose-Übungs-Gruppe. Oder Du übst für Dich selbst. Schlage ein Buch oder eine Zeitung auf. Schließe die Augen und deute mit dem Finger auf fünf zufällige Worte. Bastle darum eine Reizwortgeschichte, in der alle Begriffe vorkommen. Zum Beispiel könnte das sein: Kinder, Freundin, Stifte, Frühstück, Bühne. Na, was bastelst Du daraus?
- Kreativ-Tipp Nummer 5: Freie Übungen ohne Muss
Der Kreativitäts-Killer ist das Müssen. Setz Dich also bitte nicht unter Druck. Nicht jeden Dienstag von 19 bis 20 Uhr Üben ohne Rücksicht auf die aktuellen Bedürfnisse macht den Meister. Sondern freies, oft auch spontanes Üben zum Beispiel während der Fahrt zur Arbeit. Oder unter der Dusche. Oder in der Werbepause einer Fernsehsendung.
- Kreativ-Tipp Nummer 6: Mit Muße geht alles leichter
Deine Klienten, der Arzttermin, das Kind von der Schule abholen. Der Kopf ist voll - oft zu voll um kreativ sein zu können. Räum Dir Pausen ein. Setz Dich zwischendurch mit einer Tasse Kaffee oder Tee hin. Schau einfach vor Dich hin. Spüre wertungsfrei hin, was Dir gerade durch den Kopf geht. Denke dann mal an das Thema Kreativität und schau, was da auftauchen mag. Wenn Du möchtest, schreib Dir ein paar wichtige Stichwörter auf. Meine letzte ebensolche Übung habe ich gerade absolviert. Und in meinem Notizbuch steht jetzt: Adventskalender 2023. Jeden Tag ein Türchen mit einem absolut nützlichen Therapie-Tool.
- Übungen für Deine Klienten (zum Teil mit Wort-für-Wort-Anleitung)
- Therapeutische Techniken
- Nützliche Vorlagen
- Strukturierungshilfen
- Buchempfehlungen
Was tust Du um Deine eigene Kreativität als Hypnotherapeut zu fördern? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar.
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