Die Tür geht auf. Der Klient tritt mit einem Sack voller Themen auf dem Rücken herein. Innerhalb kürzester Zeit entscheidet er, ob er sich wohl fühlt. Ob er mit Dir als Coach oder Therapeut warm wird. Und ob er sich wirklich öffnet und sich traut, Dir seine Probleme vor die Füße zu kotzen. Ich wähle diesen drastischen Ausdruck ganz bewusst. Denn Klienten erleben sich häufig als Zumutung. Ihre Probleme als Belastung. Das Erstgespräch hat meistens entlastenden Charakter, weil erst einmal alles erzählt wird, was schwierig ist. Aber die erste Stunde ist noch so viel mehr. Sie dient dem Beziehungsaufbau. Der Klient entscheidet spätestens am Ende der Sitzung, ob er Dir vertraut und mit Dir arbeiten möchte. Hier findest Du eine Liste mit 16 entscheidenden Tipps wie der Beziehungsaufbau in Coaching und Therapie gut funktioniert.
Die Inhalte dieses Blogartikels
2. Smalltalk
3. Neugierde
4. Abholen, wo derjenige steht
5.. Aktiv zuhören
11. Empathie
13. Schluss mit Fachchinesisch
14. Transparenz
15. Authentizität
16. Tests aushalten
1. Willkommen und Wohlfühlen
Der Klient muss sich wenn er Deine Praxis betritt, wohl und eingeladen fühlen. Genauso muss er das Gefühl haben, sicher zu sein. Die Räumlichkeiten sowie die Einrichtung Deiner Praxis (Schlagwort gemütlich statt steril) und die Position des Sitzplatzes (nicht mit dem Rücken zur Tür) trägt dazu genauso bei wie die Vermeidung langer Wartezeiten. Auch das Nennen des Namens am Eingang und eine herzliche Begrüßung bewirken das Gefühl, willkommen zu sein.
Beispiel: "Hallo Frau x. Schön, dass Sie da sind. Mein Name ist y.(Händeschütteln)"
2. Smalltalk
Ein kleines bisschen Smalltalk über den vorherigen Tagesablauf, den Weg in die Praxis oder das Wetter ganz am Anfang entspannt. Es gibt dem Klienten Zeit anzukommen, sich umzusehen und sich bequem hinzusetzen.
Beispiel: "Haben Sie gut hergefunden? Wie lange waren Sie unterwegs in die Praxis? Kommen Sie direkt aus der Arbeit? Ich hoffe es war nicht zu stressig. Sie haben aber schönen Sonnenschein mitgebracht."
3. Neugierde
Ganz wesentlich dafür, dass der Klient sich öffnet, ist, dass er echte Neugierde beziehungsweise echtes Interesse beim Coach oder Therapeuten spürt. Egal wie spät es schon ist. Egal wieviele Klienten heute schon vorher da waren. Egal, wie oft Du schon ganz ähnliche Geschichten gehört hast. Erhalte Dir diesen Entdeckergeist. Jeder Mensch ist anders. Und es ist ein Privileg, so viele Lebensgeschichten erfahren zu dürfen und das Vertrauen von Menschen zu genießen.
Beispiel: Klient sagt: „Das hören Sie bestimmt ganz oft“ – Therapeut sagt: "Ach wissen Sie, Themen ähneln sich, aber der Mensch dahinter ist immer anders. Und ich bin neugierig darauf, Ihre Geschichte zu erfahren."
4. Abholen, wo derjenige steht
Hole den Klienten dort ab, wo er steht. Auch wenn Dein Anamnesebogen Dir vielleicht ein anderes Thema vorgibt. Auch wenn Dein ursprünglicher Plan durchkreuzt wird. Es gilt der gute alte Leitsatz: „Störungen haben Vorrang“.
Beispiel: Therapeut: "Erzählen Sie mir als Erstes bitte von dem Problem, das Sie hier her führt." Klient: "Eigentlich bin ich hier wegen meiner Ängste. Aber stellen Sie sich vor, was ich heute erlebt habe…" Therapeut: "Erzählen Sie mir davon."
5. Aktiv zuhören
Der Klient muss sich im Gespräch sicher sein, dass das Gesagte auch bei Dir ankommt. Dass Du die Botschaft in seinen Worten und zwischen den Zeilen verstehst. Es hilft also, aktiv zuzuhören. Zu nicken, zu bestätigen, zu reformulieren.
Beispiel: "Habe ich das richtig verstanden – Sie denken also, dass …"
6. Körpersprache
Sei Dir bewusst darüber, dass auch Deine Körpersprache Einladung oder Grenze sein kann. Offene Haltung statt verschränkter Arme. Immer mal wieder Spiegeln der Haltung des Gegenübers schafft Verbindung.
Beispiel: Setz Dich aufrecht hin. Füße am Boden. Arme auf den Armlehnen. Schreibzeug auf dem Schoß. Kein Schreibtisch als Barriere zwischen euch.
7. Kein Schema F
Zieh kein vorgefertigtes Programm durch. Presse niemanden in ein vorgefertigtes Schema. Sieh jeden als Individuum und betone das auch dem Klienten gegenüber.
Beispiel: "Ich bin der Meinung, es gibt nicht den „typischen Depressiven“ oder den „typischen Schmerzklienten“. Deshalb gibt es auch keine vorgefertigte Therapie. Wir entscheiden gemeinsam, was für Sie und Ihren speziellen Fall hilfreich ist."
8. Nicht be-/verurteilen
Bemühe Dich darum, einen Klienten nicht zu be- oder sogar zu verurteilen. Manchmal ist das leichter gesagt als getan. Bei Bedarf hilft Dir Supervision dabei, neutraler zu sein.
Beispiel: Eine Frau, die aus einem völlig verdreckten Messie-Haushalt von der Rettung in die Klinik gebracht wurde. Vielleicht spürst Du Ekel in Dir aufsteigen. Vielleicht schüttelst Du den Kopf und fragst Dich, wie das passieren kann. Vielleicht neigst Du dazu, die Sozialkontakte der Frau zu verurteilen, die davon gewusst haben mussten aber nicht frühzeitig eingegriffen haben. Mach Dir klar: Du weißt NICHTS. Weder was die Frau in ihrem Leben erlebt hat, was zu der Auffindesituation führte. Noch darüber, was die Angehörigen getan oder gelassen haben. Die Klientin ist krank und benötigt Deine Unterstützung. Verwehre sie ihr nicht, indem Du ein Urteil fällst.
9. Persönlich zeigen
Werde persönlich. Du verlangst von einem Klienten, dass er sprichwörtlich gesehen die Hosen vor Dir herunterlässt und bleibst selbst Tabula rasa? Das geht meiner Meinung nach nicht. Du baust Brücken, indem Du Persönliches zulässt. Ohne dabei privat werden zu müssen. Wie das geht und einige Beispiele erfährst Du in meinem Artikel "Geständnis einer Hypnotherapeutin - ich spreche mit meinen Klienten über Persönliches"
10. Ruhe und Professionalität
Strahle Ruhe und Professionalität aus. Der Klient braucht das Gefühl, dass Du erfahren bist und einen Plan hast, wie in seinem Fall vorzugehen ist. Er braucht das Gefühl, dass das nicht das erste Mal ist, dass Du mit so einem Thema zu tun hast. Dass Du weißt, was Du tust. Wenn Du noch ganz am Anfang bist, kann dies eine große Herausforderung sein. Hol Dir die Sicherheit, indem Du Supervision in Anspruch nimmst.
Beispiel: „Ihr Thema schreit nach Behandlungsmethode x. Dabei gehe ich so vor. Danach schlage ich vor y zu tun. Damit war ich auch bei einem ähnlich gelagerten Fall sehr erfolgreich. Die Klientin hat sieben Sitzungen in Anspruch genommen und konnte dann z.“
11. Empathie
Sei empathisch. Natürlich hat Dein Klient nichts davon, wenn Du mitleidest. Aber es darf sein, dass Du Dich von der Geschichte des Klienten im wahrsten Sinne des Wortes mit-nehmen lässt und dass die Worte Dich berühren. Trau Dich, das auch offen zu zeigen und gegenüber dem Klienten zu formulieren.
Beispiel: „Oh je, das kann ich mir gut vorstellen. Das muss schrecklich für sie gewesen sein. Da stellt es mir richtig die Haare auf.“
12. Offenheit für Fragen
Sei offen für Fragen. Lass Dich jederzeit unterbrechen. Antworte so ehrlich und ausführlich wie möglich. Sichere nach dem Antworten ab, ob damit die Frage vom Tisch ist.
Beispiel: Der Klient möchte wissen was Hypnose eigentlich ist. Therapeut: „Also Hypnose bedeutet x. Dabei fühlt man sich in etwa so… Das kennen Sie vielleicht schon aus ähnlichen Situationen im Alltag. Hypnose ist aber nicht….Es kann nicht passieren, dass….Habe ich Ihre Frage damit ausreichend beantwortet? Möchten Sie außerdem noch etwas wissen?“
13. Schluss mit Fachchinesisch
Wirf nicht mit Fachbegriffen um Dich. Die gehören wenn überhaupt auf Fortbildungen und Vorträge mit Kollegen. Sprich mit einfachen Worten und sorge dafür, dass Du verstanden wirst. Psychologische Zusammenhänge sind oft kompliziert genug – auch ohne Fremdwortwettkampf. Finde durch Nachfragen heraus, ob der Klient Dich gut verstehen kann. Gerade dann, wenn in seinem Gesichtsausdruck Fragezeichen stehen.
Beispiel: „Können Sie mir folgen? Sind Sie noch dabei?“
14. Transparenz
Transparenz ist das A und O. Zeige Dich als Persönlichkeit. Zeige die Methoden mit denen Du arbeitest. Sprich offen darüber, von welcher Behandlungsdauer Du mindestens ausgehst. Sprich über die Kosten, die auf den Klienten zukommen. Sprich an, wie Therapie/Coaching bei Dir abläuft. Rede darüber, was häufig in der Folge/im sozialen System passiert, wenn Klienten sich verändern.
Beispiel: Die Klientin möchte wissen, was an Kosten auf sie zukommt. Therapeut: "Pro Sitzung - das sind jeweils 60 Minuten - bezahlen Sie 90 Euro. Bei mir ist das so: Manchmal dauert eine Sitzung 70 Minuten, manchmal ist das Ziel auch schon in 50 Minuten erreicht. Das gleicht sich ganz gut aus. Sie bezahlen immer 90 Euro pro Termin."
15. Authentizität
Sei durch und durch authentisch. Wenn Du lächelst, meine auch Lächeln. Wenn Du etwas komisch findest, runzle die Stirn. Wenn ein Klient Dich fragt, was Du von ihm hältst, formuliere die Wahrheit "in Liebe".
Beispiel: Ein Klient mit Problemen im Sozialkontakt hat einen extrem unangenehmen Körpergeruch an sich. So sehr, dass die komplette Praxis selbst nach 15 Minuten Lüften noch müffelt. "Herr x, ich weiß ja nicht ob Sie das wissen, selbst wahrnehmen oder ob Ihnen das schon einmal jemand gesagt hat. Sie haben einen sehr starken Körpergeruch an sich. Vielleicht können wir gemeinsam überlegen, was das mit Ihrem Thema zu tun hat." Der Klient war übrigens sehr dankbar und kam danach immer frisch geduscht und mit Deo. Danach hatte er deutlich weniger Probleme im Umgang mit anderen Menschen. Klarer Fall von Gamechanger.
16. Tests aushalten
Halte es aus, wenn Klienten Dich testen. Nicht selten kommt es, gerade bei skeptischen, vielfach enttäuschten, frühgestörten oder anderweitig schwer beeinträchtigten Klienten vor, dass sie wissen wollen, ob Du als Coach oder Therapeut es aushältst mit ihnen zu arbeiten. Deshalb packen sie gleich zu Anfang der Zusammenarbeit die schlimmsten Erlebnisse oder schwierigsten Verhaltensweisen aus und scannen, wie Du reagierst. Bist Du genauso wie die dominante Mutter? Genauso wie der verletzende Lehrer? Versuche keinesfalls unreflektiert in solche Übertragungssituationen einzusteigen. Und falls es doch passiert ist, sprich es mit dem Klienten an.
Beispiel: Klient wuchs mit schnell aufbrausender Mutter auf. Provoziert und beleidigt Dich im Gespräch extrem, so dass Du laut wirst. Du hast keine Lust mit jemandem unter dieser Bedingung zu arbeiten. Dann wird Dir klar, dass das ein Test war und Du reflektierst. Entschuldige Dich, erkläre die Situation, frage, wer in seinem Leben ähnlich reagiert hat. Schwupps - Du bist mitten im Thema.
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